von Anja Refke
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03 Dez., 2022
I ch stehe gerne auf Brücken. Schaue mal von dem einen Geländer aus ins Wasser, drehe mich dann und schaue dann auf der anderen Seite hinunter. Besonders wenn Stöcke oder kleinere Äste sich durch die Fließgeschwindigkeit schnell fortbewegen. Schwierig, ja manchmal sogar gefährlich kann es werden, wenn Wasser sich durch unglückliche Umstände an so einem harmlosen Fluss staut und dann über die Ufer tritt, und Schaden anrichtet. Übertragen auf das eigene Leben kann etwas über viele Jahre „Aufgestautes“ in einem selbst auch zerstörerisch werden oder dass „Lebensgewässer“ langsam vergiften. Gespräche können hilfreich sein, um Druck abzulassen und an einer Stelle wieder etwas ins Fließen zu bringen. Eine tiefgehende, befreiende symbolische Handlung kann ebenfalls sein, das Schwere aufzuschreiben und mit einem Stein zusammen von der Brücke in den Fluss zu werfen, oder das Aufgeschriebene zu zerreißen und die Schnipsel dem Fluss anzuvertrauen. Ein symbolischer Akt, der jedoch in der Seele viel auslöst und immer wieder gut erinnert werden kann, wenn das Alte wieder „verstopfen“ möchte. Der Fluss als Bild für unser Leben, dass doch in Wahrheit auch immer in Bewegung ist. Ein Sprichwort sagt: „Niemand kann zweimal in denselben Fluss steigen, denn alles fließt und nichts bleibt.“ Dieser Gedanke hat etwas Melancholisches, weil wir gerne das Gute und Schöne festhalten wollen und Zerbruch und Veränderungen als unangenehm und schmerzhaft empfinden. Doch es birgt genauso die immer wieder sich eröffnende Chance, Gutes, Lebenswertes und Heilsames zu erwarten und hoffend neugierig zu bleiben. Hebt man auf der Brücke die Augen auf, weg vom fließendem Wasser unter einem, hin in die Ferne, wo der Flusslauf weitergeht, lässt sich ahnen, dass das Leben auch wieder an Weite und Vielfalt gewinnen kann! Wenn Sie das nächste Mal an eine Brücke kommen, nehmen sie sich doch Zeit für ihre eigenen „Brückengedanken“.